“AREN’T YOU AFRAID TO SWING ON RUSSIAN SWINGS?”
2021 (fortlaufend)
Dokumentarfilm (60min)
Der mehrdeutige Titel des Films geht zurück auf eine Frage, die mir mein Großvater 1996 auf einem russischen Spielplatz stellt. Während er die Schaukel mit der linken Hand anstößt, hält er in seiner rechten Hand einen Panasonic Camcorder, mit dem er die Szene filmt. Die Kamera bewegt sich langsam entlang der stark verbogenen Metallstäbe der Schaukel, im Hintergrund ein mit Backsteinen verkleideter Plattenbau. Etwas unsicher blicke ich in die Kamera und lächle. Mit seinen Worten „Schaukel ein wenig, spüre die Freude am Leben!” endet die Szene abrupt.
Was genau hat er mit dieser Frage und der darauffolgenden Anregung gemeint? Seit 1993 in Deutschland wohnhaft, habe ich derart verbogene, für Kinder ungeeignete Schaukeln nicht gesehen. 28 Jahre später. Was bedeutet dieselbe Frage für die Arbeit an diesem Film? Und was bedeutet sie seit Februar 2022 angesichts der aktuellen Ereignisse?
Basierend auf dem Heimvideoarchiv meines Großvaters, das über 400 Stunden Videomaterial umfasst, stellt dieser Film eine persönliche Untersuchung familiärer Erinnerung in Zeiten politischer Krisen und Unsicherheit dar. Er setzt unmittelbar nach dem Zerfall der Sowjetunion an und veranschaulicht eine Art Rekalibrierungsprozess, der in den 1990er Jahren stattfindet. Ein groteskes Hin und Her politischer und sozialer Kräfte, die das tägliche Leben, die Sehnsüchte, Wohnungen und Kleiderschränke der Menschen unter den Klängen rhythmischer Technobeats, grellen Farben und fremden Schriftzügen umformen.
Um Demokratie den Weg zu ebnen, muss Kommunismus Kapitalismus und damit Konsumismus weichen?