ÉTUDES OF PARIS


2024 (work in progress)
video (ca. 15 min)




Reisen wir um die Welt, um Authentizität zu suchen, nur um uns letztlich in den Dingen wiederzufinden, die wir bereits kennen?

Der Eiffelturm steht als ein paradoxes Symbol: Er ist zugleich ein einzigartiges, ikonisches Monument und ein weltweit reproduziertes Bild. Als eine der meistkopierten Strukturen der Welt wurde er unermüdlich in Schlüsselanhänger, Postkarten und Souvenirs verwandelt – Objekte, die es jedem ermöglichen, „ein Stück Paris zu besitzen“, ohne jemals einen Fuß nach Frankreich gesetzt zu haben. Diese Verwandlung von einem architektonischen Wunderwerk zu einem kommerzialisierten Andenken spricht für die einzigartige Fähigkeit des Turms, seinen physischen Standort zu übersteigen und zu einem universellen Symbol für Romantik, Kultur und Reisen zu werden. Doch was passiert, wenn dieses Bild, losgelöst von seinem ursprünglichen Kontext, anderswo reproduziert wird – verkleinert zu einem Souvenir oder vergrößert zu einer gigantischen Nachbildung? Behält es noch dieselbe Bedeutung, oder verzerrt sich diese im Prozess der Reproduktion?

Die Reise dieser Eiffelturm-Souvenirs offenbart jedoch oft unerwartete Ebenen von Komplexität. Der typische „Pariser“ Schlüsselanhänger wird ironischerweise nicht in Frankreich, sondern vor allem in China hergestellt – genauer gesagt, in Fabriken nahe Yiwu, einem globalen Zentrum der Massenproduktion. Hier wird das Bild des Eiffelturms seit über 30 Jahren in einer Geschwindigkeit und einem Umfang produziert, die sein ursprüngliches Symbol neu definieren. Dieser globalisierte Kreislauf von Produktion und Konsum verwandelt den Turm in ein Objekt, das sowohl universell als auch merkwürdig ortlos ist: Ein Andenken an Paris, das weit entfernt von seinen gepflasterten Straßen gefertigt wird.

In Tianducheng (Hangzhou), einer chinesischen Stadt nur eine kurze Zugfahrt von Yiwu entfernt, taucht der Eiffelturm erneut auf – diesmal als 108 Meter hohe Nachbildung, die im Zentrum einer surrealen urbanen Landschaft steht. Bekannt für das Phänomen der „Duplitektur“ (Nachahmungsarchitektur), imitiert Tianducheng Paris selbst, komplett mit haussmannschen Gebäuden, Brunnen und breiten Boulevards. Hier existiert die Replik nicht als Souvenir, sondern als monumentaler Akt der Nachahmung, als Stadtkonzept. Doch wenn man vor ihr steht, stellen sich Fragen: Kann eine Kopie das Original wirklich widerspiegeln, oder wird ihre Bedeutung durch den neuen Kontext neu definiert? Ist die Nachbildung ein Symbol der Verehrung für Paris oder ein Ausdruck von Chinas Fähigkeit, die Ikonen des Westens zu reproduzieren – und vielleicht sogar zu übertreffen?

Mein Projekt The Souvenir widmet sich genau diesen Fragen. Während meine Residenz in Paris eigentlich darauf abzielte, die Stadt zu erkunden, nahm meine Recherche eine ironische Wendung. Statt in der Stadt der Lichter zu bleiben, reiste ich nach Tianducheng, um der Herkunft der Eiffelturm-Schlüsselanhänger nachzugehen und die Nachbildung persönlich zu erleben. In einem Hotel mit exklusivem Blick auf Tianduchengs Eiffelturm begann ich, die Geschichte zu entschlüsseln, wie dieses ikonische Bild, geboren in Paris, ein zweites Leben in China angenommen hat.

Ist ein Souvenir manchmal ein Stück eines Ortes, der nicht existiert, eine Erinnerung, zusammengenäht aus Fragmenten?

The Souvenir
reflektiert darüber, wie kulturelle Ikonen wie der Eiffelturm ständig neu definiert werden – nicht nur durch ihre Schöpfer, sondern durch die globalen Kräfte, die sie reproduzieren, neu interpretieren und kommerzialisieren. In diesem Prozess kann selbst eine perfekte Kopie ein Eigenleben entwickeln, zugleich als Spiegelbild des Originals und als Symbol für die sich verschiebenden Grenzen von Kultur, Identität und Macht.