Beim Gedanken an den Kreml kommen einem wahrscheinlich Bilder der ziegelroten Kremlmauer, der bunten Zwiebeltürme der Basilius-Kathedrale, der grünen Tannen, roten Sterne, Adler, goldenen Kuppeln und P**** in den Sinn. Doch wenn Menschen vom Kreml sprechen, meinen sie immer mehr als nur einen geografischen Ort mit architektonischen Merkmalen. Der Kreml ist ein Symbol für eine politische Welt, ein Machtapparat und spätestens seit 2022 ein Begriff des Schreckens.
Mit seinem symbolischen Gewicht repräsentiert er die politische Macht Russlands und dient als Darstellung des Staates für das Land. Ein architektonisches Ensemble, das sich über viele Generationen entwickelt hat – eine Kulisse für propagandistische Zwecke und die Inszenierung sorgfältig orchestrierter Staatschoreografien. Zahlreiche architektonische Merkmale zeugen von der Vergangenheit eines Gebäudekomplexes voller Brüche, der über Jahrhunderte hinweg zu dem geformt wurde, was er heute ist: ein Konglomerat widersprüchlicher Machtformen. Relikte aus der Zarenzeit, dem Russischen Kaiserreich, der Sowjetunion und schließlich der Russischen Föderation stehen als imposante Teile einer großen Erzählung vermeintlicher Kontinuität nebeneinander.
Doch was passiert, wenn eine Nachbildung einer solchen autoritären Machtstruktur in ein anderes Land verpflanzt, entfremdet und für touristische Zwecke umgedeutet wird?
Seit Russlands Angriffskriegs auf die Ukraine spielt die Türkei eine zunehmend zentrale Rolle für den Kreml. Die Türkei erleichtert nicht nur Russland die Umgehung westlicher Sanktionen, indem sie als sogenannte „neutrale Zone“ für Verhandlungen dient, sondern bleibt auch ein bevorzugtes Reiseziel, das trotz geopolitischer Spannungen jährlich über sechs Millionen russische Tourist:innen anzieht.
Der Titel des Films, ULTRA ALL INCLUSIVE, stammt aus der Buchungskategorie des Kremlin Palace Hotels. Hier bedeutet „ultra“ überdurchschnittliche Dienstleistungen, doch der Präfix trägt auch Konnotationen von Radikalismus oder Extremismus, was das thematische Anliegen des Films widerspiegelt.Interessanterweise stieß ich während meiner Recherche über Chinas Grenzübertritt mit Russland auf das Kremlin Palace Hotel. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die chinesische Grenzstadt Manzhouli zu einer touristischen Handelsstadt entwickelt, die hybride Gebäude und zahlreiche Nachbildungen umfasst, darunter ebenfalls eine modifizierte Replik der Basilius-Kathedrale. – Ein Ort, der vor seinem touristischen Boom eine bedeutende Rolle in meinem Dokumentarfilm und Langzeitprojekt „Aren‘t you afraid to swing on Russian swings“ spielte, das sich mit dem Shuttle-Handel befasst. Ein Massenphänomen, das von gewöhnlichen Menschen während der Perestroika als Reaktion auf den Zusammenbruch der Sowjetunion initiiert wurde und meinen Großvater Vladimir Alin in der Vergangenheit genau zu diesem Grenzübertritt in der Mongolei führte. Genauer gesagt: 33 Mal. Trotz ihrer akademischen Titel verbrachten meine Großeltern dreizehn Jahre auf der Straße und verkauften Plastikspielsachen, Plüschtiere und gefälschte Markenbekleidung aus China.
Nur als Fußnote in der Videoinstallation erscheinend – das VHS-Material, präsentiert in einer Miniaturvorführung mit zwei Miniatur-Monoblockstühlen, zeigt Ausschnitte aus diesem Film, der auf dem Reise- und Heimkinoarchiv meines Großvaters aus den 1990er Jahren basiert. Es bietet einen Einblick in die Grenze zwischen Russland und China in diesem Jahrzehnt, zeigt meinen Großvater, der das Hotel, den Basar kommentiert und eine Rede an der Chinesischen Mauer hält, in der er über Chinas wirtschaftlichen Aufschwung spricht. Das Video endet mit seinem Besuch im Beijing World Park, einem Miniatur-Weltpark mit verkleinerten Nachbildungen ikonischer Sehenswürdigkeiten aus aller Welt. Einem Reisereporter gleich, kommentiert mein Großvater Sehenswürdigkeiten, die er zuvor nur auf Fotografien gesehen hatte, und vervollständigt so eine Reise um die Welt an einem einzigen Tag.
Ironischerweise findet während meines Aufenthalts im Hotel ein privater Spielzeug- und Haushaltswarenbasar im großen Ballsaal namens "Vladimir" statt. Die „WORLD“ – ein Souvenir aus dem Kremlin Palace Hotel, wird in diesem Zusammenhang zum mehrdeutigen Bindeglied und der Fassade für das Videoessay.